Es ist Samstagvormittag an der Avenida Patria, einer belebten Hauptverkehrsstraße in Quito. Aus einem kleinen Zeitungs- und Süßigkeitenkiosk tönt die Stimme des ecuadorianischen Staatschefs Rafael Correa, der sich wie jede Woche übers Radio ans Volk wendet.
„Er hat gute Ideen“, findet Esther Gallo, 47, die Kioskbetreiberin. „Der Präsident unterstützt zum Beispiel die Indigenen, damit sie säen, anstatt in der Stadt zu betteln“, sagt die kleine Frau mit dem offenen, gewitzten Blick, die selbst indigene Gesichtszüge hat. Vor allem lobt sie Correas Bemühungen, das Bildungswesen zu verbessern und allen zugänglich zu machen, denn ihre 16-jährige Tochter soll es einmal besser haben. Dem seit 2007 regierenden Linkskatholiken drückt sie die Daumen: „Ich hoffe, sie lassen ihn die Arbeit zu Ende machen, ein zerstörtes Haus baut man ja auch nicht über Nacht auf.“
Als junge Frau ist Gallo aus dem ländlichen Hochland nach Quito gezogen. „Hier ist das Leben härter, aber die Schulen sind viel besser“, begründet sie ihren Schritt. Nach acht Jahren als Hilfskraft in einem Krankenhaus verlegte sie sich aufs Verkaufen. Nach einer Stunde Anfahrt aus dem ärmeren Süden Quitos hält sie gut 14 Stunden lang die Stellung am Kiosk, von Montag bis Samstag, und das nun schon sein zehn Jahren. Ihren monatlichen Gewinn schätzt sie auf 200 Dollar. Noch einmal soviel verdient sie durch den Verkauf von Kleidern, Schuhen oder Parfüms, die sich ihre Stammkunden in Katalogen aussuchen können. „Früher war ich katholisch“, erzählt sie, doch dann schloss sie sich einer evangelikalen Kirche an. Im Brustton der Überzeugung sagt sie: „Für mich gibt es keine Krise.“
Gerhard Dilger
Quito